Aue gegen Osnabrück – das versprach in den vergangenen 24 Jahren oft Dramatik und Hochspannung. In sechs Duellen erzielte einer der beiden Kontrahenten zwar zwei oder drei Treffer mehr als der Gegner. Die anderen 18 Partien endeten aber unentschieden oder mit dem denkbar knappsten Vorsprung von einem einzigen Tor. Besonders starke Nerven brauchten die Osnabrücker Fans im August 2004 und im September 2010.

Wie wäre das Pokalduell am 21. August 2004 ausgegangen, wenn die Kontrahenten vorher gewusst hätten, dass sie in Runde 2 den FC Bayern München zugelost bekommen würden? Spannender hätte es am Ende kaum sein können, obwohl zunächst alles danach aussah, als wenn der mit großem Einsatz spielende Drittligist die klassenhöheren, an diesem Tag aber behäbig wirkenden Kicker aus dem Erzgebirge im Eiltempo düpieren könnte.

Schon in der 8. Minute traf Thomas Reichenberger mit einem Volleyschuss zum 1:0 und nach einer halben Stunde gelang seinem Kollegen Markus Feldhoff ein echter Doppelschlag. Acht Tage vor seinem 30. Geburtstag versenkte der spätere VfL-Coach erst einen Foulelfmeter und traf nur zwei Minuten später – ebenfalls per Direktabnahme – zum 3:0. Das Spiel schien frühzeitig gelaufen zu sein, doch dann erinnerte sich Aue daran, wer hier eigentlich der Favoritenrolle gerecht werden müsste. Kurz vor dem Pausenpfiff, zu einem psychologisch denkbar ungünstigen Zeitpunkt, traf Andrzej Juskowiak nach Vorlage von Skerdilaid Curri zum 1:3.

Kult-Trainer Gerd Schädlich nutzte die Unterbrechung, um seine Schützlinge endgültig wieder auf Kurs zu bringen, während Claus-Dieter „Pele“ Wollitz die Osnabrücker auf die zu erwartenden Angriffe einschwor. Die ließen denn auch nicht lange auf sich warten, doch VfL-Keeper Tino Berbig konnte mehrere brenzlige Situationen entschärfen, ehe seine Vorderleute selbst die Chance bekamen, das Spiel vorzeitig zu entscheiden. Nach Foul an Markus Feldhoff trat Björn Joppe zum Strafstoß an, scheiterte aber an Jörg Hahnel.

Nun warf Aue alles nach vorn und kam durch Khvicha Shubitidze acht Minuten vor Ende der regulären Spielzeit tatsächlich auf 2:3 heran. Die Partie drohte zu kippen, doch der VfL rettete den knappen Vorsprung unter dem Jubel der zahlenmäßig überschaubaren, aber allemal stimmgewaltigen 6.000 Fans über die Zeit. Zur Belohnung bekamen die Osnabrücker Lila-Weißen in Runde 2 Besuch vom FC Bayern München, der beim hauchdünnen 3:2-Sieg knapp an einer Neuauflage von 1978 vorbeischrammte…

Gut sechs Jahre später trafen sich Aue und Osnabrück in der 2. Bundesliga. Diesmal kamen 13.000 Zuschauer, um das Duell der beiden Aufsteiger zu sehen, in deren Anfangsformation jeweils nur ein Beteiligter des dramatischen Pokalspiels von 2004 stand: Tino Berbig auf Seiten der Osnabrücker und der unverwüstliche Skerdilaid Curri im Dress der Gäste, die gut gelaunt in die Hasestadt gereist waren. An den ersten beiden Spieltagen hatten Schädlichs Jungs in Paderborn und gegen Bochum gewonnen und somit bereits sechs Punkte eingefahren. Der VfL stand nach zwei 1:3-Niederlagen gegen Duisburg und bei den Münchner Löwen dagegen noch mit leeren Händen da.

Entsprechend nervös agierten die Hausherren in Durchgang 1, in dem sie allerdings zunehmend besser ins Spiel und zu einer Reihe guter Möglichkeiten kamen. Das 1:0 schoss Matthias Heidrich zwar erst nach dem Seitenwechsel, anschließend dauerte es aber nur drei Minuten, bis Nicky Adler den Ball zum 2:0 über die Linie schob. Doch auch an diesem flutlichtbeschienenen Freitagabend gelang es den Hausherren nicht, den berühmten Sack endgültig zuzumachen.

Stattdessen leisteten sich die Osnabrücker zahlreiche Fehlpässe und ließen sich immer häufiger in die eigene Hälfte zurückdrängen – ideale Voraussetzungen für den cleveren Skerdilaid Curri, der in der 61. Minute Marc Hensel bediente und sechs Minuten später den Kopf von Thomas Paulus fand. Mitte des zweiten Durchgangs stand es 2:2, doch der VfL hatte noch Spielentscheidendes in petto. In der 82. Minute fasste sich Benjamin Siegert ein Herz und beförderte das Spielgerät aus 16 Metern genau in den Winkel des Gästetores. Zehn nervenaufreibende Minuten mussten die VfLer noch überstehen, dann war der erste Saisonsieg unter Dach und Fach.


Text: Thorsten Stegemann
Foto: osnapix