Nein, der SV Wehen Wiesbaden war bisher nicht der Lieblingsgegner der Lila-Weißen. Von den 32 Partien, die seit 2007 zwischen Hessen und Niedersachsen ausgetragen wurden, konnte der VfL überschaubare neun gewinnen. Kein Wunder also, dass auch die hohen Siege mit vier Toren Unterschied mehrheitlich von den Schwarz-Roten gefeiert wurden. Eine Ausnahme gab es immerhin: Vor zehn Jahren war der VfL drückend überlegen und feierte den höchsten Sieg gegen Wehen Wiesbaden.
Wenn diese Kontrahenten aufeinandertrafen, stand taktische Disziplin nicht immer an erster Stelle. Folgerichtig endeten nur zwei Duelle torlos, in fünf Fällen freute sich eine Seite dagegen über einen Vier-Tore-Vorsprung nach 90 Minuten. Im September 2009 feierte der Klub, der aus dem Taunussteiner Stadtteil Wehen hervorgegangen war, seinen ersten 4:0-Erfolg gegen den VfL, dem in der Saison 2017/18 zwei weitere Kantersiege folgten. 4:0 gewann das Team von Rüdiger Rehm seinerzeit an der Bremer Brücke, 5:1 hieß es im Rückspiel in der Brita-Arena. Das letzte unerfreuliche Erlebnis dieser Art machten die Lila-Weißen im März 2020, als sie im eigenen Stadion eine 2:6-Niederlage hinnehmen mussten.
Da erinnern wir uns doch lieber an den 12. September 2015, als der VfL einen verunglückten Saisonstart endgültig vergessen machte. Die Osnabrücker waren mit zwei Unentschieden gegen Aue und die Stuttgarter Kickers in die neue Spielzeit gestartet und dann – trotz einer 1:0-Führung gegen den haushohen Favoriten RB Leipzig – aus dem DFB-Pokal geflogen, nachdem ein von den Rängen geworfenes Feuerzeug in der 71. Minute Schiedsrichter Martin Petersen getroffen hatte. Die nächsten beiden Ligaspiel in Aalen und gegen Rostock gingen jeweils mit 0:1 verloren – Chefcoach Maik Walpurgis musste seinen Stuhl räumen.
In Cottbus führte bereits Interimstrainer Joe Enochs Regie und feierte den berühmten Einstand nach Maß. In der vierten Minute der Nachspielzeit erzielte Halil Savran den 2:1-Siegtreffer. Gezittert und gejubelt wurde auch beim 3:2-Erfolg gegen Holstein Kiel, dem gleich das nächste Heimspiel gegen Wehen Wiesbaden folgte. Marcos Álvarez brauchte nur fünf Minuten, um nach Vorabreit von Alexander Dercho den ersten seiner zehn Saisontreffer zu markieren.
Das frühe Tor gab den Lila-Weißen Sicherheit, im ersten Durchgang gelang es ihnen allerdings nicht, den knappen Vorsprung auszubauen. Doch ihr Trainer fand in der Kabine offenbar genau die richtigen Worte. Zwei Minuten nach Wiederanpfiff verwandelte David Pisot einen an Halil Savran verschuldeten Foulelfmeter zum 2:0. Nur fünf Minuten später bereitete der Osnabrücker Stürmer den nächsten Treffer vor. Savrans kluge Rückgabe landete bei Christian Groß – SVWW-Keeper Markus Kolke hatte erneut das Nachsehen. Massimo Ornatelli machte schließlich den Turbo-Start in Halbzeit 2 perfekt und setzte mit dem vierten Tor des Tages auch den Schlusspunkt unter eine außergewöhnliche Partie.
Der Höhenflug des VfL fand allerdings keine dauerhafte Fortsetzung. Nach 38 Spieltagen mit vielen Berg- und Talfahrten lief das Team von Joe Enochs auf Platz 5 ein. Für Wehen Wiesbaden wurde es sehr viel aufregender – und bedrohlicher. Am Ende rettete die Hessen nur die um einen Treffer bessere Tordifferenz gegenüber den Stuttgarter Kickers (und Bremen II) vor dem Absturz in die Regionalliga.
Text: Thorsten Stegemann
Bild: Halil Savran, hier im Spiel gegen den 1. FC Magdeburg, gehörte in der Saison 2015/16 zu den Leistungsträgern des VfL. Foto © osnapix
