Als der VfL Osnabrück und Werder Bremen am 25. September 1960 aufeinandertrafen, spielten beide Vereine bereits seit 13 Jahren in der Oberliga Nord. Es ging immer hoch her, nur ein einziges Duell endete 0:0. Doch in der Saison 1960/61 stießen beide Vereine in völlig neue Dimensionen vor. Zwei Spiele reichten ihnen, um 16 Tore zu erzielen.

Bremen kam als Favorit, schließlich hatte das Team von Georg „Schorsch“ Knöpfle in zwei aufeinander folgenden Jahren nur dem übermächtigen HSV den Vortritt lassen müssen. Doch die Gastgeber rechneten sich ebenfalls Chancen aus, denn der seit 1957 amtierende Hellmut Meidt hatte den VfL aus einem vierjährigen Formtief geholt und seine Schützlinge wieder an die Spitzenplätze herangeführt.

An diesem 25. September wurden sämtliche Statistiken allerdings schnell über den Haufen geworfen. Nach vier Minuten führte der VfL mit 2:0, Reinhold Priesmeyer und Manfred Paschke hatten für einen Auftakt nach Maß gesorgt. Fast ebenso schnell mussten die Gastgeber allerdings wieder „bei Null“ anfangen, denn Arnold Schütz und Max Lorenz konnten den Vorsprung nach 18 Minuten egalisieren.

Doch die Lila-Weißen waren an diesem Tag nicht zu stoppen. Paschke (oder Bensmann, wie die Osnabrücker Lokalpresse anderntags notierte) besorgte in der 24. Minute das 3:2 und zehn Minuten später – nach einem langen Abschlag von Torwart Horst Borcherding – das 4:2.

Nach der Pause machte der Stürmer dort weiter, wo er vor derselben aufgehört hatte, ehe Karl-Heinz „Zorro“ Wöbker mit einem Flachschuss und Erwin „Ata“ Türk per Elfmeter auf 7:2 erhöhten. Horst Barth gelang eine Viertelstunde vor Schluss eine kosmetische Korrektur, dann setzte Reinhold Priesmeyer aus 16 Metern den Schlusspunkt unter diese denkwürdige Partie.

Am Montag waren die Zeitungen voll des Lobes über einen „entfesselten VfL-Sturm“, der die Bremer mit einem „Sensationsergebnis“ regelrecht „auseinandergenommen“ habe. Die Euphorie hielt monatelang an, die Lila-Weißen verloren nur zwei der nächsten zehn Spiele. Ende Januar folgte eine 0:2-Niederlage in Lübeck, dann mussten die Osnabrücker zum Rückspiel im Weser-Stadion antreten.

Manch einer sah der Partie, die live im Fernsehen übertragen wurde, mit einem mulmigen Gefühl entgegen. Doch im ersten Durchgang gab es wenig Grund zur Beunruhigung – nach 45 Minuten hieß es 0:0. Die Revanche hatte sich die Bremer aber nur aufgehoben. Das 1:0 durch Klaus Hänel (48.) war der Beginn eines dreißigminütigen Sturmlaufes, in dem Hänel, Günter Wilmovius (2) und Arnold Schütz vier weitere Treffer folgen ließen.

Das bittere 0:5 blieb nicht die einzige Enttäuschung dieser Saison, denn am Ende mussten die Lila-Weißen den Bremern erneut den Vortritt lassen. Sie zogen mit dem HSV in die Endrunde um die Deutsche Meisterschaft ein, scheiterten hier aber in der Gruppe des späteren Titelträgers 1. FC Nürnberg. Dem VfL blieb die Erinnerung an das Hinspiel, das bis heute zu den spektakulärsten der Vereinsgeschichte zählt.

Text: Thorsten Stegemann

Bild: Beim 3:2 erwischte Bremens Günther Henne den Ball erst hinter der Linie. Buchtipp/Bildquelle: Harald Pistorius (mit Alfons Batke und Jürgen Bitter): Lila-Weiße Klassiker, Osnabrück 2009