1947 erklärte das Saarland seine politische Unabhängigkeit und bildete eine Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft mit der französischen Besatzungsmacht. Auch sportlich hatte dieser Schritt weitreichende Folgen. Das Saarland bekam ein eigenes Olympisches Komitee und eine eigene Fußball-Nationalmannschaft. Der regionale Fußballverband wurde in die FIFA aufgenommen und nahm 1954 auch an der Gründung der UEFA teil. Zur Freude des 1. FC Saarbrücken.

Der bekannteste Klub des kleinen Landes bekam dadurch eine einmalige Chance. 1955 durfte er am ersten Europapokal-Wettbewerb der Landesmeister teilnehmen. Saarbrücken hatte zwar keinen entsprechenden Titel errungen, in der Oberliga Südwest (einer der fünf damals erstklassigen Oberligen) aber den dritten Platz nach dem 1. FC Kaiserslautern und Wormatia Worms belegt.

Der FC war damit die beste Mannschaft des Saarlandes, stellte aber auch einen Großteil der Nationalmannschaft und konnte bereits internationale Erfahrungen vorweisen. Saarbrücken hatte in den vergangenen Jahren Testspiele in Brasilien bestritten, sich in Liverpool ein 1:1-Unentschieden erkämpft und im Bernabeu-Stadion mit 4:0 gegen Real Madrid gewonnen. Nun war man für das Feld der 16 Teilnehmer qualifiziert, die ihre Gegner in Runde 1 frei vereinbaren konnten. Saarbrücken bekam es mit einem schier übermächtigen Gegner zu tun, denn der italienische Meister AC Mailand war in ganz Europa berühmt und gefürchtet – vor allem wegen seiner schwedischen Stürmer Gunnar Nordahl und Nils Liedholm.

Beim Hinspiel in San Siro, das am 1. November 1955 nur 18.000 Zuschauer sehen wollten, wurde Nordahl geschont. Das schien sich schon nach fünf Minuten zu rächen, als Peter Krieger die Führung für den krassen Außenseiter erzielte. Amleto Frignani, Juan Alberto Schiaffino und Giorgio Dal Monte brachten Mailand zwar wieder auf Kurs, doch Waldemar Philippi gelang noch vor der Pause der zweite Treffer für die Saarländer. Nach dem Seitenwechsel fiel dem haushohen Favoriten nicht mehr viel ein. Im Gegensatz zu den frechen Saarländern, die in Person von Karl Schirra und Herbert Martin noch zweimal trafen und am Ende einen sensationellen 4:3-Auswärtssieg feierten. Das Erfolgsrezept beschrieb Rechtsaußen Werner Otto später mit ebenso einfachen wie überzeugenden Worten: „Wir waren eine verschworene Gemeinschaft.“

FIFA-Präsidenten Jules Rimet erklärte den FCS, der in Mailand mit Camille Fischbach, Karl Berg, Albert Keck, Waldemar Philippi, Theodor Puff, Peter Momber, Werner Otto, Pit Krieger, Herbert Martin, Karl Schirra und Gerhard Siedl angetreten war, umgehend zur „interessantesten Fußball-Mannschaft Europas“. Vor dem Rückspiel am 23. November schien nichts mehr unmöglich, doch diesmal waren die Mailänder besser vorbereitet und fest entschlossen, den voll berufstätigen Feierabendfußballern, die mit ihrem Sport rund 150 DM im Monat verdienten, die Grenzen aufzuzeigen. Doch Saarbrücken bot dem AC Mailand eine gute Stunde erneut Paroli, nachdem Herbert Binkert die frühe Führung von Valentino Valli ausgleichen konnte. Ein Eigentor leitete in der 75. Minute die Wende ein. Die Italiener waren jetzt drückend überlegen und legten durch Valentino Valli und Eros Beraldo noch zwei Tore nach.

Der 1. FC Saarbrücken verabschiedete sich – hoch erhobenen Hauptes – aus dem Wettbewerb, der AC Mailand scheiterte erst im Halbfinale am späteren Titelträger Real Madrid, der im Juni 1956 das Finale gegen Stade Reims gewann. Nur ein halbes Jahr später veränderten sich mit der politischen Landkarte auch die sportlichen Rahmenbedingungen. Zum 1. Januar 1957 wurde das Saarland Teil der Bundesrepublik Deutschland und der Saarländische Fußballverband ein Teil des DFB.


Text: Thorsten Stegemann