Die Einen waren schon aufgestiegen, die Anderen hatten den Klassenerhalt sicher. Sportlich war das Gastspiel des SV Meppen beim 1. FC Kaiserslautern am 11. Juni 1997 ziemlich bedeutungslos. Doch dieser Umstand schien weder Pfälzer noch Emsländer zu interessieren. Den knapp 40.000 Zuschauern auf dem Betzenberg konnte das nur recht sein. Sie waren gekommen, um den Aufstieg der roten Teufel zu feiern – und sahen ganz nebenbei das torreichste Spiel der Zweitligageschichte. Mit von der Partie war Alexander Ukrow, heute Leiter des VfL-Nachwuchsleistungszentrums.

Auf dem Betzenberg war alles für die große Aufstiegsparty angerichtet, in Meppen hatte man bereits ausgiebig gefeiert. Mit einem mehrtägigen Mallorca-Aufenthalt wurde das Team für den Klassenerhalt belohnt – und das bereits VOR dem 34. Spieltag. „Natürlich wurden wir in Spanien von einigen Fußballfans erkannt und darauf angesprochen, dass wir ja noch ein Spiel hätten“, erzählt Alexander Ukrow s schmunzelnd.

Der 52-Jährige, der heute das Nachwuchsleistungszentrum des VfL leitet, stürmte damals für den SV Meppen, war an diesem denkwürdigen Mittwoch allerdings nicht fürs Toreschießen zuständig. „Ich sollte Manfred Schulte ersetzen und zum ersten Mal auf der Sechs spielen. Aber das ging ziemlich nach hinten los“, erinnert sich Ukrow und tatsächlich stand es nach nur 20 Minuten sage und schreibe 4:0 für die roten Teufel. Kulttrainer Otto Rehhagel hatte Vereinslegenden wie Ratinho, Miroslav Kadlec, Harry Koch oder Weltmeister Andreas Brehme ins Rennen geschickt, für die ersten Tore sorgten Olaf Marschall (2), Uwe Wegmann und Youngster Thomas Riedl.
Ganz so sang- und klanglos wollten sich die Gäste dann allerdings nicht geschlagen geben. Christian Claaßen traf per Direktabnahme zum 1:4, ehe Thomas Riedl, Jürgen Rische und auf der Gegenseite Robert Thoben den Halbzeitstand auf 6:2 schraubten.

Auch nach dem Seitenwechsel ging das Toreschießen munter weiter. Marko Olavi Myyry sorgte für den dritten Treffer der Gäste, Axel Roos stellte den alten Abstand eine Viertelstunde vor dem Abpfiff wieder her. Die sprichwörtliche Messe schien nun endgültig gelesen zu sein, doch Meppen schüttelte den Mallorca-Kater in den letzten zehn Minuten endgültig aus den Kleidern. Thomas Kluge, Damir Bujan und noch einmal Christian Claaßen erzielten in einem tollen Schlussspurt drei weitere Treffer für den SV Meppen, der am Ende fast noch einen Punkt geholt hätte, sich dann aber doch mit 6:7 geschlagen geben musste.

Von den Fans der Hausherren wurden die Gäste derweil begeistert angefeuert – und das nicht ohne Grund. Im ebenfalls denkwürdigen Hinspiel, dass der SVM mit 2:1 für sich entscheiden konnte, hatten die Lautern-Fans auf Transparenten den festen Willen bekundet „nur einmal“ nach Meppen fahren zu wollen. „Vor dem Rückspiel sind wir dann mit einem ähnlichen Shirt aufgelaufen, nach dem Motto ´Wir fahr´n nur einmal zum Betzenberg´ – aus Respekt vor dem Aufstieg in die Bundesliga. Das hat den Lautern-Fans natürlich super gefallen“, so Ukrow. Kein Wunder also, dass nach der Partie zusammen gefeiert wurde. So war es wohl auch geplant, denn die Meppener hatten schon im Vorfeld eine zusätzliche Übernachtung gebucht.

Alexander Ukrow, der von 2000 bis 2004 für die Lila-Weißen spielte und heute das Nachwuchsleistungszentrum leitet, war nicht der einzige Ex-Osnabrücker oder spätere VfLer, der an diesem Nachmittag in Diensten der Emsländer stand. Andreas Helmer und Trainer Paul Linz trugen bereits in den 80ern das Trikot der Lila-Weißen. Goalgetter Christian Claaßen wechselte 1998 an die Bremer Brücke und absolvierte fast 200 Einsätze für den VfL, ehe er 2004 nach Meppen zurückkehrte.

Mit den beiden Kontrahenten, die sich das torreichste Duell der Zweitligageschichte geliefert hatten, ging es übrigens ganz unterschiedlich weiter. Meppen musste in der kommenden Saison als Tabellenletzter doch den Gang in die Drittklassigkeit antreten. Kaiserslautern spielte dagegen eine sensationelle Bundesliga-Saison und wurde – als erster und bislang einziger Aufsteiger – Deutscher Meister.


Text: Thorsten Stegemann
Bild: IMAGO / Kemme