Als er 1982 beim VfL anheuerte, war er bereits 36 Jahre alt. Doch Erwin Kostedde wusste immer noch, wo das Tor des Gegners stand. In dieser, seiner letzten Saison erzielte er noch einmal 12 Treffer und wurde zum Publikumsliebling an der Bremer Brücke. Heute feiert der Ausnahmestürmer seinen 75. Geburtstag.

1946 in Münster geboren gelang Erwin Kostedde schon als 18-Jähriger der Sprung in das seinerzeit zweitklassige Regionalliga-Team der Preußen. Nur zwei Jahre wechselte er in die Bundesliga zum Meidericher SV, ehe der brandgefährliche Torjäger seine Fußballschuhe für Standard Lüttich schnürte und stolze 51 Tore in 67 Spielen erzielte.

Der clevere, technisch beschlagene und durchsetzungsstarke Stürmer wurde Torschützenkönig in Belgien, später auch in Frankreich. Dazwischen erlebte Kostedde grandiose Jahre bei Kickers Offenbach – inklusive eines sensationellen 6:0-Sieges gegen die Münchner Bayern, zu dem er zwei Treffer beisteuerte. 1975 wurde er für 650.00 Deutsche Mark an Hertha BDC transferiert, er spielte aber auch bei Borussia Dortmund und stieg mit Werder Bremen in die Bundesliga auf.

Am 22. Dezember 1974 lief Erwin Kostedde als erster schwarzer Spieler in der Geschichte des DFB für die Deutsche Nationalmannschaft auf. Die Massenmedien kürten ihn zum „Braunen Bomber“ und leisteten damit jenem latenten Rassismus Vorschub, den die bundesrepublikanische Nachkriegsgesellschaft nicht wahrhaben wollte. „Keiner hat mich gefragt, ob mir das gefällt“, erklärte Kostedde später in den „Westfälischen Nachrichten“ und im Interview mit der „Deutschen Welle“ schilderte er seine Nationalmannschaftserfahrungen wie folgt: „Ich merkte schnell, dass einige mich nicht akzeptierten. Manche sprachen nicht einmal mit mir. Es gab im Team damals definitiv rassistisches Verhalten von einzelnen Spielern.“

Diese bittere Erfahrung machte Kostedde auch im Alltag. „80 Prozent der Deutschen sind gute Leute, aber der Rest wünscht schwarzen Menschen wie mir nichts Gutes. Wenn ich irgendwo hinkomme, spüre ich häufig: Du bist nicht willkommen. Es ist, wie es immer war.“

Nach seinem letzten Auftritt im lila-weißen Dress, bei dem er noch einen Treffer zum 5:3-Sieg gegen Solingen beisteuerte, meinte es das Leben nicht eben gut mit dem Fußballruheständler. Der Versuch, seine Erfahrungen als Trainer weiterzugeben war nicht von Erfolg gekrönt, windige Berater brachten ihn um seine Ersparnisse und schließlich wurde Kostedde auch noch verdächtigt, eine Spielothek in Coesfeld überfallen zu haben. Nach monatelanger Untersuchungshaft wurde er freigesprochen und bekam 3.000 Mark Entschädigung, die aber nichts wieder gut machen konnten.

Heute lebt Erwin Kostedde wieder in der Nähe von Münster. Ein herausragender, unvergessener Fußballer, aber auch ein Mensch, dessen Schicksal zeigt, dass sich noch Vieles in unserer Gesellschaft ändern muss.

Text: Thorsten Stegemann
Bild: Erwin Kostedde im VfL-Dress, hier beim Spiel am 22. Januar 1983 gegen den FC Augsburg. Bildcredit: IMAGO / Rust