Die Arbeit der Task Force ist abgeschlossen, konkrete Veränderungen für die kommenden beiden Jahre sind beschlossen. Für die 3. Liga soll es nur ein erster Schritt sein. Kann die Liga zum Vorbild werden? Warum fällt wirtschaftliche Vernunft im Fußball eigentlich so schwer? Wie nachhaltig können Drittligisten arbeiten, wie nachhaltig müssen sie künftig arbeiten? Und wo soll die 3. Liga in fünf Jahren stehen? Ausreichend Themen für eine lebhafte Diskussionsrunde mit Tom Eilers, dem Vorsitzenden Ausschuss 3. Liga, Andreas Rettig, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung des FC Viktoria Köln, und Dr. Markus Merk, dem Beiratsvorsitzenden des 1. FC Kaiserslautern.

DFB.de: Mehr als 13 Jahre nach ihrer Gründung: Was ist für Sie die größte Stärke der 3. Liga, was die größte Schwäche?

Andreas Rettig: Die sportliche Ausgeglichenheit ist das größte Faustpfand der 3. Liga. Und ich stelle eine große Nähe zwischen den Vereinen und ihrem jeweiligen Umfeld fest.

Markus Merk: Ich nehme die 3. Liga als offen, ehrlich, attraktiv und unberechenbar wahr. Im wirtschaftlichen Bereich ist es in der 3. Liga schon schwer – vor allem, wenn man wie der FCK von der Bundesliga bis in die 3. Liga durchgereicht worden ist.

Tom Eilers: Die Ausgeglichenheit würde ich als Stärke klar unterstreichen. Das hat auch damit zu tun, dass die 3. Liga weniger einnimmt als höhere Ligen und darüber hinaus die Gelder gleichmäßig verteilt werden. Das stärkt den sportlichen Wettbewerb. Die größte Schwäche der Liga sehe ich darin, dass wir uns selbst zu oft klein reden und zu viel über Instabilität sprechen. Ja, die 3. Liga erlöst weit weniger als die Bundesligen. Tatsache ist aber auch, dass es sich um eine der stärksten dritten Ligen der Welt handelt, auch wirtschaftlich.

Rettig: Zum Thema Instabilität möchte ich betonen, dass hier oft gravierende Fehlleistungen im Management vorliegen. Siehe vergangene Saison das Beispiel KFC Uerdingen, der durch Misswirtschaft und die Abhängigkeit von einem Investor Insolvenz anmelden musste. Das ist kein exklusives Problem der 3. Liga, das ist eine Frage von Führungskultur und Verantwortungsbewusstsein. Da ist im Übrigen auch die Rechtsform egal. Ein unverantwortlicher Manager bleibt ein unverantwortlicher Manager. Der Hang, in leitender Position nur während der eigenen Vertragslaufzeit glänzen zu wollen und nicht darüber hinaus zu blicken, um keinen Scherbenhaufen zu hinterlassen, sieht man auch in Politik und Wirtschaft. Als Manager in einem Fußballverein pfeffert man dann eben im Winter nochmal Geld raus, weil man denkt: Steigen wir ab, werde ich sowieso entlassen. Doch es geht auch anders und besser, das zeigen Beispiele wie der FSV Mainz oder SC Freiburg.

Merk: Ich kann das aus der Erfahrung nur bestätigen. Die Situation, in der man sich befindet, hat man sich als Verein immer selbst erarbeitet, im Erfolg wie im Misserfolg. Das habe ich auch in Kaiserslautern von Anfang an gesagt. Es ist ein riesiges Problem, wenn man nicht in die Zukunft schaut. Dann wird jedes Jahr an allen Konstrukten gedreht und an jedem Vertrag geschraubt, bis die Zitrone so weit ausgepresst ist, dass sie keinen einzigen Tropfen mehr hergibt. Das ist eine Entwicklung zum Teil über Jahrzehnte – und nicht abhängig davon, ob man ein oder zwei Jahre keinen sportlichen Erfolg hatte.

Eilers: Ich gebe Andreas da ebenfalls Recht. Fälle wie zuletzt Uerdingen zu vermeiden, ist eine unserer wichtigsten Aufgaben. Dazu gehört, dass wir Klubs, die von unten kommen, besser auf die 3. Liga vorbereiten. Und wir benötigen Instrumente, um Fehlentwicklungen stärker und früher einen Riegel vorzuschieben.

DFB.de: Instrumente wie die Verschärfung der Eigenkapitalauflage oder das veränderte Financial Fairplay 3. Liga – zwei Maßnahmen, die von der Task Force „Wirtschaftliche Stabilität 3. Liga“ empfohlen und vom DFB-Präsidium mit Beginn der Saison 2023/2024 beschlossen worden sind.

Rettig: Genau. Diese Entscheidungen sind bemerkenswert gut, die Task Force und der DFB haben in diesem Punkt ein Signal gesetzt, das sehr zu unterstützen ist. Dazu kann ich nur gratulieren. Die Klubs zur wirtschaftlichen Vernunft zu zwingen, ist genau der richtige Weg. Das zeigt die Vergangenheit. Viele haben leider bewiesen, dass sie es sonst nicht realisieren. Bei der Nachwuchsförderung im deutschen Fußball war es damals ähnlich. Jeder Klub hat gesagt, das Thema ist wichtig, getan hat sich wenig. Am Ende wurde doch lieber ein alter und erfahrener Profi aus dem Ausland verpflichtet statt auf ein selbst ausgebildetes Talent zu setzen. Erst als die Leistungszentren verpflichtend in das Zulassungsverfahren der Profiklubs aufgenommen wurden, hat sich die Situation nachhaltig geändert.

Eilers: Die Regularien helfen auch den Verantwortlichen in den Klubs, dem Druck aus dem Umfeld besser Stand zu halten. Mit den nun getroffenen Maßnahmen stehen wir am Anfang eines Entwicklungsprozesses, den wir regelmäßig prüfen und gegebenenfalls auch feinjustieren müssen.

Merk: Ja, die neuen Vorgaben sind für alle eine große Herausforderung. Viele sehen wirtschaftliche Vernunft gar nicht ein, sogar in schwierigen Zeiten nicht. Darum sage auch ich: Ohne Zwang geht es nicht. Ich bin selbst im eigenen Verein gefragt worden, wie ich an einer solchen Vorgabe mitarbeiten konnte und wie das zu realisieren sein soll. Ich frage dann umgekehrt: Wollen wir denn immer so weitermachen und weiterwirtschaften wie vorher? Das ist gar nicht so leicht zu vermitteln. Wir sehen ähnliche Verhaltensweisen aktuell ja auch in der Gesellschaft bei den Diskussionen um eine mögliche Impfpflicht.

DFB.de: Warum fällt Vernunft offenkundig so schwer, speziell in Fußballklubs?

Rettig: Eine Rolle spielt der Standort. In großen Klubs herrscht eine hohe Emotionalität. Grundsätzlich ist das etwas sehr Positives. Aber Emotionen vernebeln auch den Blick auf das Morgen und Übermorgen. Ich habe es persönlich beim 1. FC Köln erlebt. Wir hatten damals eine Mitgliederversammlung mit 8000 Leuten und standen auf einem Abstiegsplatz. Ich habe das Credo der wirtschaftlichen Vernunft gepredigt. Dann kommt ein Mitglied ans Mikro und fordert unter dem großen Beifall des Publikums, ich solle endlich mal Geld ausgeben, der FC sei schließlich kein Sparverein. Man steht als Verantwortlicher also immer vor der Frage: Mache ich das, was aus meiner Sicht perspektivisch das Beste für den Verein ist? Oder gebe ich dem Druck von Fans nach, die emotional eher an die nächsten Spiele denken? Da bin ich wieder beim Thema Managementqualität.

Eilers: Natürlich sind bei kleineren Klubs, die den Druck der Öffentlichkeit und der eigenen Anhänger in geringerem Maße haben, die Grenzen leichter zu setzen als zum Beispiel bei einem 1. FC Kaiserslautern, der Deutscher Meister und DFB-Pokalsieger war. Bei uns in Darmstadt etwa scheint aktuell die Sonne und die Leute loben die Verantwortlichen für Dinge, die wir in der Arbeit gar nicht geändert haben. In Phasen dagegen, in denen wir unten standen, selbst in der Bundesliga, als wir finanziell aussichtslos unterlegen waren, kamen regelmäßig die Forderungen auf: Geht doch mal ins Risiko und kauft ein. Die Masse orientiert sich am eigenen Wunsch nach Erfolg, das ist auch völlig menschlich. Es ist aber kein kicker-Managerspiel, wir arbeiten mit echtem Geld. Die Problematik wird sich nie ganz auflösen lassen – weder in der 3. Liga noch in einer anderen Profiliga. Wenn du Misserfolg hast, wirst du nicht mehr gefeiert, weil du einen Kid’s Club anbietest, stärker auf die Umwelt achtest oder veganes Essen im VIP-Raum servierst. Alles berechtigte Wünsche, die geäußert werden und denen Klubs immer stärker nachkommen – aber eben auch schnell vergessen, wenn man ständig verliert.

Merk: Wir kennen das in Kaiserslautern sehr gut. Alle haben die Sehnsucht nach Kontinuität. Gleichzeitig kommt jede Woche jemand um die Ecke und fordert, wir sollen „all in“ gehen.

Rettig: Ich lasse die Verbände bei diesem Thema nicht raus, denn sie sind für die Integrität des Wettbewerbs verantwortlich. Ich wünsche mir, dass wir zusätzliche Anreize schaffen – und zwar solche, die dem gesellschaftlichen Wandel gerecht werden. Wenn Erlöse zu einem sehr hohen Prozentsatz für sportlichen Erfolg ausgeschüttet werden, wird jeder Verein logischerweise fast nur in Spieler investieren. Wenn vermehrt Anreize im Bereich Nachhaltigkeit gesetzt werden, wird ein Verein über kurz oder lang auch dort investieren. Eine Branche wie der Fußball, der mit und durch die Öffentlichkeit sein Geld verdient, braucht gesellschaftliche Akzeptanz. Der Fußball darf die Generation Z nicht verlieren, also junge Menschen, die für den Klimawandel auf die Straße gehen, sich gesund ernähren, sich sozial engagieren und nicht auf Gewinnmaximierung aus sind, sondern die Welt besser machen wollen. Wenn wir es nicht schaffen, diese Themen glaubwürdig zu vertreten, werden diese Menschen dem Fußball den Rücken kehren und wir werden dann auch kein Geld mehr verdienen. Diesbezüglich hätte ich mir von der Task Force etwas mehr Mut gewünscht.

DFB.de: Inwieweit birgt Ihr Wunsch die Gefahr, sich zu weit vom eigenen Kerngeschäft zu entfernen und den Sport zu vernachlässigen?

Rettig: Ich sehe da gar keinen Widerspruch. Ich kann in Nachhaltigkeit investieren und trotzdem sportlich erfolgreich sein. Der SC Freiburg ist das beste Beispiel. Wir waren in den 90er-Jahren der erste Klub mit einer Solaranlage auf dem Dach. Die Freiburger Fußballschule wurde mit einer Holzhackschnitzelanlage gebaut. Da sind alle Granden der Bundesliga nach Freiburg gekommen und haben mit großen Augen geschaut, was wir dort gemacht haben. Solche Dinge zahlen auf die gesellschaftliche Akzeptanz ein. Der Fußball ist unser Kerngeschäft und soll es bleiben – aber das hält uns nicht davon ab, sozialer und nachhaltiger zu werden.

Merk: Darüber haben wir auch in der Task Force diskutiert. Wie schaffen wir solche Alleinstellungsmerkmale für die 3. Liga? Dazu ist der Denkprozess aber erst einmal nur angestoßen.

Rettig: Ein konkreter Vorschlag, den Tom mal mitnehmen kann: Die 3. Liga zwackt zehn Prozent ihrer Medienerlöse ab und stellt diese unterstützend für Nachhaltigkeitsprojekte in den Klubs zur Verfügung. Das wäre ein Signal.

DFB.de: Ein Signal bei Viktoria Köln war, dass in die Arbeitsverträge der Spieler eine Gemeinwohlklausel integriert worden ist.

Rettig: Ich finde, so etwas ist gerade für die 3. Liga ein Thema. Wir, also alle 20 Klubs, haben eine Verantwortung, unsere Spieler auch auf das reale Leben vorzubereiten. Das ist in der 3. Liga eine noch weitaus größere Aufgabe als in der Bundesliga, in der die Spieler mehr Geld verdienen und finanziell besser aufgestellt sind. Dieser Verantwortung nachzukommen, zahlt auf Glaubwürdigkeit und Bodenständigkeit der 3. Liga ein. Wir werden ab dem kommenden Jahr bei der Viktoria verpflichtend eine Stunde Bildung in den Trainingsplan aufnehmen. Dort werden wir über reale Themen sprechen, beispielsweise wie das Kranken- oder Sozialversicherungssystem funktioniert. Denn es gibt noch ein Leben nach dem 35. Geburtstag. Ein klares strategisches Ziel der 3. Liga sollte sein, keine Sozialfälle zu produzieren.

DFB.de: Wie realistisch ist es, dass die 3. Liga im Bereich Nachhaltigkeit eine Vorbildfunktion entwickeln kann?

Eilers: Die Task Force hat natürlich nicht alle Probleme beseitigt und gelöst. Sie hat wichtige Themen auf den Weg gebracht und einige Leitplanken gesetzt. Das ist ein Anfang. Den grundsätzlichen Ansatz, Teile der Vermarktungserlöse zu nutzen, um Themen der Nachhaltigkeit zu fördern, halte ich für gut. Ich habe aber Zweifel, ob die 3. Liga die Lokomotive dafür ist und eine ausreichende Wirkung erzielt. Klar ist auf der anderen Seite: Wir müssen irgendwann damit beginnen, sonst wird nichts passieren.

Rettig: Tom, mit dieser Haltung hätten wir bei den Leistungszentren nie etwas erreicht. Wir müssen auch mal den Rücken gerade machen und klare Kante zeigen. Natürlich wird die 3. Liga damit nicht die Welt retten. Aber wenn wir vorangehen und dieses Feld besetzen, indem wir beispielsweise prämieren, wenn Vereine ihren CO2-Abdruck verbessern, ist das ein wichtiges Zeichen und verschafft uns gleichzeitig eine stärkere Position bei Sponsoren, Partnern und Kommunen.

Eilers: Wir müssen es dabei aber auch schaffen, die insgesamt zu verteilende Geldmenge für die 3. Liga zu erhöhen. Ich glaube, perspektivisch werden die genannten Punkte helfen, aber nicht auf die Schnelle. Wir brauchen einen realpolitischen Mittelweg.

Rettig: Ich muss da vehement widersprechen. Der Ansatz, nach immer mehr Geld zu rufen, ist falsch. Das hat sich überholt. Du unterliegst auch diesem Zwang, den Klubs wieder mehr Geld präsentieren zu müssen, Tom. Du warst selbst dabei, als uns intern der Wind rau ins Gesicht geblasen ist, weil wir in der 2. Bundesliga das Thema Montagsspiele diskutiert und gekippt haben. Die 2. Liga hat dadurch zweistellige Millionenbeiträge liegen gelassen, aber aus meiner Sicht war es der richtige Weg, weil wir eben nicht nur Shareholder-Value-Gedanken im Kopf hatten. Auch wenn ich oft die Sicht der Fans teile, gibt es dort natürlich zu kritisierende Positionen. Aber wir müssen unbedingt an mehr denken als an reine Erlösmaximierung. Dann werden eben Brötchen auch mal kleiner gebacken. Wir müssen uns nicht immer treiben lassen und jeden Irrsinn mitmachen. Einer muss da mal vorangehen.

Merk: Das Eine schließt das Andere nicht aus. Warum soll man mit veränderten Ideenansätzen und Innovationen nicht andere Partner gewinnen und dadurch Erlöse generieren?

Rettig: Genau richtig. Ich habe ja nichts dagegen, als Klub Geld zu verdienen. Ich bin kein Altruist, auch wir müssen genau rechnen. Meine feste Überzeugung ist, dass wir durch eine Attraktivitätssteigerung und schärfere Positionierung der 3. Liga andere Sponsoren und Partner gewinnen können. Es wäre sehr klug, sich frühzeitig und glaubwürdig in Richtung Nachhaltigkeit aufzustellen. Die Entwicklung wird ohnehin kommen.

DFB.de: Ist die beschlossene Reduzierung der Mindestkapazität für Stadien in der 3. Liga von 10.001 auf 5001 Zuschauer*innen auch deshalb ein überfälliger Schritt?

Eilers: Es ist ein logischer Schritt. Durch die bisherige Regelung wurden manchen Klubs Investitionen abverlangt, die nicht zweckmäßig und damit unvernünftig sind. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass sich die Kapazitätsproblematik für die meisten Klubs, die in der 3. Liga spielen oder spielen wollen, gar nicht stellt. Die Grenze von 5001 ist jedenfalls das Minimum für eine Profiliga – allein schon aufgrund der Versammlungsstättenverordnung, die ab dieser Größe gesetzlich greift. Ich denke, wir haben dieses Thema in der Task Force gut und richtig behandelt.

Rettig: Absolut. Die Reduzierung war ein guter und richtiger Schritt. Damit wird eine Motivation für den semiprofessionellen Bereich geschaffen, sich weiterzuentwickeln. Ich habe umgekehrt auch mit Klubs gesprochen, die über die Herabsetzung der Mindestkapazität nicht erfreut sind. Diese Klubs haben allerdings alle bereits ein tolles Stadion (schmunzelt), nicht selten von der öffentlichen Hand gefördert. Natürlich ist bei der Stadionkapazität die Lücke nun größer geworden zur 2. Bundesliga (Mindestanforderung 15.000 Plätze, Anm. der Redaktion), dort gibt es jedoch signifikant mehr Geld. Folglich muss man dann auch bereit sein, vermehrt Geld in die Infrastruktur zu investieren.

Merk: Mir ist die sportliche Komponente wichtig. Wenn ein Klub sich sportlich für die 3. Liga qualifiziert, hat es für mich als Fan einen Beigeschmack, wenn er nicht an seinem Heimatstandort spielen darf. Natürlich müssen Voraussetzungen dafür gegeben sein und Maßgaben erfüllt werden. Die Verringerung der Mindestkapazität war vor diesem Hintergrund für mich überfällig.

Eilers: Zumal das vorgeschriebene Mindestkontingent für Gästefans – ganz bewusst – davon unberührt bleibt. Für Auswärtsklubs mit hohem Fanaufkommen ändert sich also nichts.

DFB.de: Fanvertretungen haben kritisiert, dass die Task Force noch ganzheitlicher hätte denken müssen. Die Forderung lautet, dass grundsätzliche Strukturfragen im professionellen Fußball und im Übergangsbereich zum Amateurfußball zu beleuchten seien.

Eilers: Ich möchte da zunächst an die Aufgabenstellung erinnern. Die Task Force war dazu aufgerufen, sich mit der 3. Liga zu beschäftigen.

Merk: Der Abpfiff der Task Force ist für mich der Anpfiff in die nächste Runde. Die Vernetzung nach oben und unten ist nun die nächste Herausforderung, um den Fußball als Ganzes zu stärken – auch gesellschaftlich.

Rettig: Das muss weit über eine Betrachtung der Spielklassen hinaus gehen. Da spielen so viele verschiedene Aspekte und Blickwinkel eine Rolle, die ich alleine gar nicht überblicken kann. Ein sehr, sehr komplexes Thema – zumal es viele unterschiedliche Interessen gibt, je nachdem wen man fragt. Von daher würde es uns gut tun, wenn das jemand, der keine Eigeninteressen hat, mal aus der Vogelperspektive beleuchtet und uns Optionen als Vorschläge aufzeigt.

Merk: In der Task Force wurden viele Punkte andiskutiert, die dann nicht mehr weiterverfolgt wurden. Dabei haben Zeitgründe und Aufgabenstellung eine Rolle gespielt und die Gefahr, sich irgendwann in den Diskussionen zu verlieren, ohne konkrete Maßnahmen herbeizuführen. Aber nicht umsonst hat zum Beispiel das Thema Nachwuchsförderung beziehungsweise Nachwuchsfördertopf einen breiten Raum in den Gesprächen eingenommen.

Eilers: Reden müssen wir grundsätzlich über die Unterscheidung zwischen Amateur- und Berufsfußball. Diese Trennlinie verläuft unbestritten unterhalb der 3. Liga. Die 3. Liga selbst ist reiner Profisport. In der Gesamtbetrachtung des Fußballs dürfen wir uns auf jeden Fall nicht leiten lassen von der Frage, wem etwas nutzt und wem etwas schadet. Entscheidender ist: Wer kann was beitragen, wer kann wem helfen? Unser übergeordnetes Ziel muss sein, Begeisterung für den Fußball zu schaffen. Uns allen muss es darum gehen, wie wir möglichst viele Kinder zum Fußball bekommen und eine Fußballnation bleiben. Wenn man das so nennen kann, bin ich ja ein Kind des DFB – und als solches unterstreiche ich: Das ist die Kernaufgabe des Deutschen Fußball-Bundes. Daher kann ich die Forderung der organisierten Fans nachvollziehen. Die Profiklubs in und auch unterhalb der 3. Liga spielen bei der Erfüllung dieser Aufgabe eine wichtige Rolle als Identifikationspunkte.

DFB.de: Zum Abschluss die Frage: Wo sehen Sie die 3. Liga in fünf Jahren?

Rettig: Ich wünsche mir, dass die 3. Liga die nachhaltigste, sozialste und bodenständigste Profiliga wird. Das sollte in fünf Jahren zu schaffen sein. Die Task Force hat hierfür erste richtige Maßnahmen eingeleitet, nicht alles in einem Schritt, aber das ist auch nicht möglich. Das ist ein Prozess – und der erste Schritt macht mir Mut.

Eilers: Das ist schon ein großer Erfolg für die Task Force, wenn Du das sagst.

(Alle lachen)

Merk: Die 3. Liga sollte eine Liga der Chancen sein. Ich wünsche mir, dass wir hier in den nächsten fünf Jahren Alleinstellungsmerkmale entwickelt haben, mit denen wir Vorbild sein können. Und natürlich wünsche ich mir für die Liga mehr wirtschaftliche Stabilität bei nochmals gesteigerter Attraktivität.

Eilers: Ich finde es schon mal sehr gut, dass wir alle den Eindruck haben, es werden Maßnahmen konkret umgesetzt und es geht voran. Das ist bei Arbeitsgruppen nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit. Wir haben es dabei geschafft, Faninteressen zu hören, zu berücksichtigen und in einem machbaren Rahmen umzusetzen. Ich hoffe, dass wir diesen Austausch mit den Fans in den nächsten Jahren aufrechterhalten und weiter verbessern. Wenn wir es schaffen, den Wünschen ernsthaft und ehrlich zuzuhören, es gleichzeitig schaffen, ehrlich zu erläutern, was geht und was nicht geht, und natürlich auch weitere Verbesserungen umsetzen, wird das dem gesamten Fußball in Deutschland helfen.

Zur Person

  • Tom Eilers
  • Der gebürtige Darmstädter spielte als Torwart in den 90er Jahren für die damaligen Zweitligisten SV Darmstadt 98 und FSV Mainz 05. Der 51 Jahre alte Rechtsanwalt ist Sohn des früheren DFB-Justiziars Götz Eilers. Seit 2014 leitet Tom Eilers den Lizenzspielerbereich bei Darmstadt 98, darüber hinaus ist er Vorsitzender des Ausschusses 3. Liga seit dessen Einführung im September 2019. 
  • Markus Merk
  • Der promovierte Zahnmediziner war 20 Jahre lang Schiedsrichter in der Bundesliga und 15 Jahre auch international im Einsatz. Dreimal wurde er zum FIFA-Weltschiedsrichter gewählt. Heute ist der 59-Jährige ein gefragter Redner, entwickelt in Unternehmen Strategien, Entscheidungs- und Führungsprozesse. Darüber hinaus ist Dr. Markus Merk Beiratsvorsitzender beim 1. FC Kaiserslautern. Als Vereinsvertreter war er Mitglied in der Task Force „Wirtschaftliche Stabilität 3. Liga“.
  • Andreas Rettig
  • Der 58-Jährige ist ein erfahrener Fußballfunktionär und Fußball-Lehrer. Von 2013 bis 2015 war Andreas Rettig Geschäftsführer der DFL, von 2000 bis 2006 war er Vorsitzender der Kommission Leistungszentren, zuvor hatte er in Managerfunktion beim SC Freiburg, 1. FC Köln und FC Augsburg gearbeitet. Nach seinem Abschied von der DFL war Rettig vier Jahre beim FC St. Pauli in leitenden Positionen tätig. Im Mai 2021 übernahm er den Vorsitz in der Geschäftsführung des Drittligisten FC Viktoria Köln.

Text u. Bild: dfb.de