40 Partien waren in der Mammutsaison 1992/93 bereits gespielt und bei den Lila-Weißen herrschte so etwas wie Abschiedsstimmung. Cheftrainer Hubert Hüring hatte bereits das Handtuch geworfen, Claus-Dieter „Pele“ Wollitz, unumschränkter Star der Mannschaft, stand vor dem Absprung zu Hertha BSC Berlin und die Ära Piepenbrock neigte sich allmählich dem Ende entgegen. In der mit 24 Vereinen restlos überfüllten Liga mussten sieben Absteiger ermittelt werden – der VfL drohte einer von ihnen zu werden.

Die Hansa-Kogge war zu diesem Zeitpunkt ebenfalls noch nicht aller Sorgen ledig, belegte unter der Regie von Horst Hrubesch, der in der Winterpause Erich Rutemöller beerbt hatte, aber einen Platz im halbwegs gesicherten Mittelfeld. Wer heute einen Blick auf den Kader dieser Saison wirft, findet eine Reihe namhafter Akteure, die zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auch in Rostock geboren wurden. Vor Schlussmann Daniel Hoffmann liefen an der Bremer Brücke Marco Zallmann, Gernot Alms, Mike Werner, Carsten Sänger, Timo Lange, Jens Dowe, Heiko März, Jens Wahl, Stefan Persigehl und Olaf Bodden auf. Der polnische Stürmer Sławomir Chałaśkiewicz und Vereinslegende Juri Schlünz, der es auf insgesamt 406 Hansa-Einsätze bringen sollte, wurden später eingewechselt.

Während sich Osnabrücks ehemaliger Übungsleiter Hüring und der geschasste Rostock-Coach Rutemöller beim Fußballlehrer-Lehrgang in Köln trafen, bereiteten ihre Nachfolger die Mannschaften auf das Duell an der Bremer Brücke vor. Osnabrücks nomineller Co-Trainer Klaus-Peter Nemet, der die Mannschaft nach Hürings Abgang zusammen mit Manager Hans-Dieter Schmidt übernommen hatte, rechnete mit einem spielstarken Gegner – aber wohl nicht damit, dass Carsten Sänger nur eine knappe Minute brauchen würde, um das Aluminium an der Bremer Brücke zu testen. Nach der Pause versuchte sich sein Mannschaftskollege Jens Dowe am Querbalken, doch die Lila-Weißen ließen sich von den zahlreichen Chancen der Gäste nicht entmutigen und suchten ihr Heil ebenfalls in der Offensive.

Kurz vor und kurz nach der Pause wurden sie für Mut, Einsatz und Leidenschaft belohnt. Zunächst traf der starke Jan Sievers nach Flanke von Ralf Balzis zum 1:0 (39.), zwei Minuten nach dem Seitenwechsel landete eine Wollitz-Ecke auf dem Kopf von Paulo da Palma, der auf 2:0 erhöhte. Das rassige Nordduell, das neben den beiden Treffern mit viel Tempo und zahlreichen Torraumszenen aufwartete, hatte an diesem Dienstagabend zweifellos mehr als 3.500 Zuschauer verdient. Der geringe Zuspruch war ein Resultat des alles in allem enttäuschenden Saisonverlaufs.

Und der wurde nicht erfreulicher, auch wenn die Lila-Weißen durch den 2:0-Erfolg noch einmal näher an das rettende Ufer herankamen. Doch die beiden dann folgenden Auswärtsspiele in Düsseldorf und Hannover gingen verloren, sodass selbst die drei abschließenden Erfolge gegen den VfB Oldenburg, die Stuttgarter Kickers und den SC Freiburg den Abstieg nicht mehr verhindern konnten. Nach der alten Regel wurden in dieser Saison 92 Punkte vergeben, nur zwei fehlten dem VfL am Ende auf den Tabellensiebzehnten vom Millerntor. Neben Osnabrück mussten auch Unterhaching, Braunschweig, Düsseldorf, Oldenburg, Remscheid und Darmstadt den Gang in die Drittklassigkeit antreten. Freiburg, Duisburg und der VfB Leipzig verließen die Riesenliga Richtung Oberhaus.


Text: Thorsten Stegemann

Bild: Mannschaftsfoto Hansa Rostock 1992/93, abgedruckt im kicker sportmagazin