Er trug nur drei Jahre das Trikot der Lila-Weißen, doch der Zeitpunkt war perfekt gewählt. Karl-Heinz „Kalla“ Diehl, der heute vor 80 Jahren in Bottrop geboren wurde, kam zwischen 1968 und 1971 in 76 Punktspielen zum Einsatz und feierte mit seinem Team drei Nordmeisterschaften in Folge. In den Aufstiegsrunden zur Bundesliga musste der VfL den starken Westklubs aus Essen, Bielefeld und Bochum jeweils den Vortritt lassen und auch in den beiden folgenden Jahren klappte es nicht mit dem Sprung in die Beletage. Die älteren Fußballfreunde haben diese Zeit trotzdem in bester Erinnerung. Nach den durchwachsenen 60er Jahren gehörte die Bremer Brücke wieder zu den ersten Adressen und zog mitunter über 30.000 Zuschauer an.

1954: Deutschland wurde Fußball-Weltmeister und der zehnjährige Karl Heinz Diehl durfte endlich in einen Verein! Nachdem er sich zum Leidwesen der Eltern jahrelang die besten Schuhe ruiniert hatte, gab es die passende Ausrüstung für die ersten Schritte beim SUS Neuenkirchen, für den der Mittelstürmer bis zu seinem 18. Lebensjahr auf Torejagd ging. Über den BV Selm kam Diehl zum VfB 03 (heute „Fichte“) Bielefeld, der seinerzeit in der höchsten westfälischen Amateurklasse spielte.

Hier waren Zuschauer und Sportreporter gleichermaßen angetan von dem schnellen, torgefährlichen Mittelstürmer. Nach einem 5:2-Erfolg gegen BW Langenbochum jubelte die Lokalpresse:

„Kalla Diehl, der ja erst am Anfang seiner Fußballerlaufbahn steht, hatte in der 20. Minute seine Sternsekunde. Er schoß ein Tor, wie es ein Fußballspieler nur einmal in seinem Leben schießt. Kalla, der mit dem Rücken zum Gästetor stand, wurde messerscharf von Seifert markiert. Butterweich hob er das Leder über seinen Gegenspieler, um es aus der Luft aus fast unmöglichem Schusswinkel in das kurze Tordreieck zu donnern. Dieses Tor riß alle von Bänken.“

Meisterschaftsprämie für 15 geteilt durch 18

Die Qualitäten des Kunstschützen blieben dem großen Stadtrivalen nicht verborgen, aber auch in Niedersachsen dachte man über Diehls Verpflichtung nach. Als der 24-jährige am Fronleichnamstag 1968 ein Probetraining beim VfL absolvierte, ging alles ganz schnell. Er unterschrieb noch am selben Abend einen Vertrag und erzielte beim Debüt gegen Bremerhaven 93 (5:1) gleich seinen ersten Treffer erzielte. Die drei spektakulären Auftaktspiele gegen Göttingen 05 (8:0), Barmbek-Uhlenhorst (4:1) und den VfB Lübeck (3:1) hatte Diehl verpasst, aber den vier Siegen folgten gleich noch vier weitere gegen Concordia Hamburg (2:0), den VfB Oldenburg (2:1), den Heider SV (2:1) und Arminia Hannover (2:1), ehe die Lila-Weißen am 9. Spieltag die erste Niederlage hinnehmen mussten.

Vor 30.000 Zuschauern unterlag das Team von Radoslav Momirski, der Kalla Diehl an diesem Tag vom Stürmer zum rechten Verteidiger umfunktionierte, dem FC St. Paul mit 1:2. „Das konnte uns aber überhaupt nicht irritieren. Wir wussten, dass wir eine ganz starke Mannschaft hatten. So ein Team bekommt man vielleicht nur einmal in 100 Jahren zusammen“, meinte Diehl, der seine These nicht nur auf den sportlichen Erfolg stützte, obwohl dieser im weiteren Saisonverlauf – etwa bei den Auswärtssiegen gegen Sperber Hamburg (6:2) und Bergedorf 85 (6:0) oder beim Heimtriumph gegen Holstein Kiel (7:0) – mitunter Aufsehen erregende Formen annahm.

Noch wichtiger war der überragende Teamgeist, der sich zum Beispiel zeigte, als Präsident Friedel Schwarze nur 15 Meisterschaftsprämien an die Stammspieler ausgeben wollte, obwohl 18 Akteure im Kader waren. Die Lila-Weißen legten das Geld zusammen und teilten durch 18! Der Zusammenhalt, der sich nach Diehls Eindrücken in den kommenden Spielzeiten verflüchtigte, ließ sich auch an der Tabelle ablesen. Nach 32 Spieltagen wurde der VfL überlegen Nordmeister und stellte nicht nur die Torfabrik der Liga (94), sondern auch die beste Defensivabteilung (27 Gegentore).

In der Aufstiegsrunde zur Bundesliga belegten die Lila-Weißen dann Platz 2 hinter Rot-Weiß Essen, doch das legendäre 3:3 vor über 30.000 Zuschauern stand in Diehls persönlicher Favoritenliste überraschenderweise nicht ganz an erster Stelle. Sein „Lieblingsspiel“ war das Pokalduell gegen Eintracht Frankfurt, das am 26. März 1970 rund 22.000 Zuschauer sehen wollten. Die Osnabrücker schieden zwar aus, lieferten dem Team von Erich Ribbeck aber einen beherzten Kampf über 120 Minuten. Nachdem Karl-Heinz Diehl die Gastgeber in Führung gebracht hatte (38.), glich Bernd Hölzenbein eine Viertelstunde vor dem Abpfiff aus. Der spätere Fußball-Weltmeister sorgte in der 112. Minute auch für die Entscheidung, doch die Lila-Weißen hatten einmal mehr bewiesen, dass sie in der Lage waren, den Großen der Branche Paroli zu bieten.

Mit Bünde gegen die Bayern

Der VfL Osnabrück wurde auch 1970 und noch einmal 1971 – diesmal unter Trainer Fritz Langner – Nordmeister, doch der neue Coach Erwin „Ata“ Türk plante die Saison 1971/72 ohne seinen ehemaligen Mannschaftskollegen. Im besten Fußballalter wechselte Kalla Diehl zu TuS Haste, wo er unter anderem mit Detlev Hegekötter und Lothar Gans zusammenspielte. Anschließend war er als Spielertrainer für Tura Melle und den VfB Bielefeld aktiv, ehe er 1975 zum Bünder SV wechselte.

Nachdem der Amateuroberligist in der 1. Runde des DFB-Pokals den VfR Pforzheim ausgeschaltet hatte, kam es in Runde 2 zum Duell mit dem übermächtigen FC Bayern München. 22.000 Zuschauer sahen in Herford am 22. Oktober 1975 einen couragierten Außenseiter, der sich mit dem früh eingewechselten Kalla Diehl tapfer gegen das Unvermeidliche wehrte. Doch es half nichts, am Ende sorgten Schuster, Roth und „Kaiser“ Franz Beckenbauer für einen halbwegs standesgemäßen 3:0-Sieg.

Diehl blieb dem SV bis 1979 verbunden und engagierte sich anschließend als Spielertrainer in Niedermark, Ibbenbüren und Bohmte. Preußen Lengerich war die letzte Station seiner langen Karriere, die er erst 1990, im fortgeschrittenen Alter von 46 Jahren, beendete.

Einsatz für den Nachwuchs

Der Fußball ließ Karl-Heinz Diehl allerdings immer noch nicht los. Der Familienmensch, der jahrzehntelang in Lüstringen wohnte, einst eine Ausbildung bei der Polizei und eine Banklehre absolviert hatte und von 1969 bis 2004 für die Sparkasse arbeitete, entschloss sich 1997 auf Bitten von Lothar Gans zum VfL zurückzukehren. Als Co-Trainer der zweiten Mannschaft gab er seine Erfahrungen an die nächste und übernächste Generation weiter, kümmerte sich nebenbei aber auch um Spielerpässe, Abrechnungen und manche Fragen und Probleme der Osnabrücker Youngster.

Der immer freundliche und stets engagierte Karl-Heinz Diehl starb plötzlich und völlig unerwartet am 9. September 2020. Beim VfL wird „Kalla“ unvergessen bleiben.


Text: Thorsten Stegemann

Bild: Karl-Heinz Diehl im Zweikampf mit Essens Wolfgang Rausch, Bundesliga-Aufstiegsspiel 1969 © IMAGO / Werner Otto