Liebe Fans des VfL Osnabrück,
Liebe Menschen in Stadt & Region Osnabrück,
Liebe Bürgerinnen und Bürger, die am Samstag, 08.01.2022 demonstrieren wollen,

die Corona-Pandemie hält uns alle nun schon (zu) lang in Atem. Die Einschränkungen treffen auch den VfL Osnabrück in besonderem Maße, sind doch seit knapp 18 Monaten Fußballspiele nur unter Einschränkungen möglich, fehlt uns die gewohnt bedingungslose Unterstützung unserer Fans gerade an der Bremer Brücke aber auch bei Auswärtsspielen. Unser Restserienauftakt gegen den 1. FC Saarbrücken wird am 15.01. aufgrund der Pandemiedynamik vermutlich genauso ohne Zuschauer an der Bremer Brücke stattfinden wie unser morgiges Vorbereitungsspiel bei Holstein Kiel. Das ist nicht schön und wir würden uns aus vielen Gründen eine andere Situation wünschen.

Statt uns in Kiel zu unterstützen, müssen daher viele unserer Fans in Osnabrück bleiben und können das Spiel höchstens am Live-Stream verfolgen. Zugleich gehen wir davon aus, dass einige unserer Fans fast zeitgleich zu unserem Spiel auch auf den Straßen von Osnabrück demonstrieren, wobei wir uns bewusst sind, dass es einige gibt, die gegen die Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen. Wir erklären uns mit diesem offenen Brief aber bewusst solidarisch mit den Gegendemonstranten und hoffen, dass die Mehrheit unserer Fans sich den unterschiedlichen Aktionen („Impfen statt Schimpfen“, „Stimmzettel gegen Querdenker“, „Kommando Springbrötchen“) anschließt, dass bei aller inhaltlichen Auseinandersetzung hier aber vor allem gewaltfrei und respektvoll auch anderen Meinungen gegenüber agiert wird.

Dabei ist uns wichtig, das Folgende zu betonen:

Auch wir sind müde, durch sich ständig wechselnde Rahmenbedingungen immer wieder neu zu planen, neue Maßnahmen umzusetzen und immer wieder Fans zu enttäuschen, die nicht ihren Klub unterstützen können. Es kostet Kraft, emotionale Überwindung und ja, das führt auch zu wirtschaftlichen Nachteilen, mit denen wir umgehen müssen. Und auch wir können nicht immer alles sofort verstehen, auch wir haben mitunter Schwierigkeiten, alle vorgeschlagenen und umgesetzten Maßnahmen in jeder Hinsicht nachzuvollziehen, insbesondere dann, wenn vermeintlich oberflächlich gleiche Sachverhalte unterschiedlich gehandhabt werden. Wenn es an einem Spieltag unter vergleichbaren Rahmenbedingungen in Stadion A Fußballspiele mit zigtausenden Zuschauern gibt, am gleichen Spieltag aber in Stadion B ein Fußballspiel ohne Zuschauer ausgetragen werden muss.

Aber: Die Pandemie hat uns gelehrt, dass die Dynamik die einzige Konstante ist. Und wir vom VfL fordern bewusst keine „Lex Profifußball“, fordern keine Ausnahmeregelungen, nur weil wir der VfL sind oder weil wir Fußball spielen. Genauso sollten aber auch viele andere sich nicht über die Gesellschaft als Ganzes erheben. Wir als VfL sind den Werten des Sports verpflichtet, Werte wie gesellschaftliches Miteinander, Teamgeist, Fairplay, Toleranz sind dem Sport fest verankert – ihnen fühlen wir uns in besonderer Weise verpflichtet.

Gesellschaftliches Miteinander & Teamgeist heißt in der aktuellen Zeit dann eben auch ein solidarisches Umgehen insbesondere mit den schwächeren, hier vulnerablen, Gruppen unserer Gemeinschaft. Mit Blick auf die Maßnahmen zur Eindämmung von Corona geht es in besonderer Linie darum, entsprechende Gruppen zu schützen und weniger um das persönliche Wohlbefinden (das aber auch), sondern darum, anderen zu helfen. Das ist der Grund, warum wir die Impfung generell für sinnvoll und notwendig erachten, um ein gesellschaftliches Miteinander ausleben zu können, um eben auch – abgesehen von der eigenen Gesundheit – die Verantwortung für diejenige Gruppen zu demonstrieren, die durch die Corona-Pandemie in besonderer Weise gefährdet sind. Das ist auch gelebter Teamgeist, heißt, dass es uns als Gesellschaft nur miteinander, als Team gelingen kann, die Probleme der Pandemie zu überwinden.

Dazu bedarf es aber eben auch des Fairplay und der Toleranz. Dies heißt für uns alle, dass wir auch andere Sichtweisen akzeptieren müssen und in der inhaltlichen Auseinandersetzung die Diskussion und Argumentation in den Fokus rücken. Das bedeutet, dass wir es akzeptieren können und müssen, wenn sich einzelne Menschen gegen das Impfen entscheiden, die gültigen Corona-Schutzmaßnahmen nicht nachvollziehen und diese (auch lautstark) kritisieren. Gegen diese demonstrieren zu können ist ein wichtiger Teil unserer Demokratie, seine eigene Meinung zum Ausdruck zu bringen, ist glücklicherweise eines der wichtigen Grundrechte. In einer Diktatur wäre das nicht möglich. Toleranz bedeutet, dass man das aushalten muss, auch wenn man eine andere Meinung hat. Das gilt aber in jede Richtung. Wichtig ist zudem, dass nicht die Lautstärke einiger weniger die Diskussion bestimmen darf, dass der Protest von einzelnen nicht damit verwechselt werden darf, dass die Mehrheit der Menschen in Osnabrück und in Deutschland insgesamt trotz der verständlichen Pandemiemüdigkeit konstruktiv mit der Situation umgeht. Die Impfquote allein zeigt, dass die Mehrheit der Osnabrücker hier ihren Beitrag zur Eindämmung und zum Schutz von sich selbst und anderen zu leisten bereit war und zu leisten bereit ist. Auch daher zeigen wir uns hier solidarisch mit den Gegendemonstranten, die für die Mehrheit der Osnabrücker stehen und am Samstag ab 13:30 Uhr in der Friedensstatt ein entsprechendes Zeichen setzen wollen.

So sehr wir akzeptieren und tolerieren, dass man gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert und so sehr es auch hier gilt, dass wir uns im Klaren darüber sind, dass es für einzelne, die sich nicht impfen lassen wollen auch gute Gründe geben mag und dass es auch berechtigte Kritik an einzelnen Maßnahmen zur Pandemieeingrenzung gibt, so sehr sind aber auf die folgenden Aspekte von großer Bedeutung:

  • Wer gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert, die Kritik an dieser Demonstration aber als Einschränkung seiner eigenen Meinungsfreiheit sieht, verwechselt Meinungsfreiheit mit Kritiklosigkeit.
  • Wer gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert, dabei aber Parolen wie „Lügenpresse“ skandiert oder Vergleiche aus der Nazizeit bemüht, versteht nicht, wie wichtig Pluralismus in unserer Gesellschaft ist und welche bedeutende Rolle die unabhängige Presse, d.h. Pressefreiheit, für unser Miteinander besitzt.
  • Wer gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert, sich bei der ablehnenden Haltung aber auf unlogische und unbewiesene Ausführungen selbsterklärter „Experten“ und „Meinungsmacher“ stützt, die nur in der eigenen kleinen Filterblase Widerhall finden, verkennt die Kraft der mehrfach geprüften Wissenschaft (double-peer-reviewed).
  • Wer gegen Corona-Maßnahmen demonstriert und von Diktatur schwadroniert, verkennt eben die gewährten Freiheitsrechte und den Wert der Solidargemeinschaft, verkennt, dass die Mehrheit der Gesellschaft bereit ist, entsprechend durch Impfung und Kontaktbeschränkungen dazu beizutragen, die Pandemie einzugrenzen und zu helfen, sie auch dadurch zu beenden, vor allem aber die negativen Folgen für einzelne durch solidarisches Handeln vieler zu begrenzen.
  • Wer aber vor allem gegen Corona-Maßnahmen demonstriert, sich dabei aber nicht gegen die Vereinnahmung von Rechtsextremisten mit demokratiefeindlichen Tendenzen wehrt, ihnen zuhört oder Seite an Seite mit ihnen steht und geht, muss akzeptieren, dass sein vielleicht sogar berechtigter Protest der Nährboden ist für eine unsolidarische Gesellschaft, für ein Zerstören der Werte, die das Fundament unserer Demokratie sind.

Aus diesem Grunde gilt für uns als VfL Osnabrück: Kritik gegen die Corona-Maßnahmen ist in Grenzen sinnvoll und nachvollziehbar, eine Abgrenzung gegen Vereinnahmung durch spaltende Gruppen ist aber dringende Vorbedingung. Diskussionskultur statt Protestkultur ist daher das Gebot der Stunde, Pluralismus und Pressefreiheit statt das Grölen stumpfer Parolen sind daher angezeigt, Wissenschaftsorientierung statt faktenloser Behauptungen sollten Grundlage sein, Haltung und Werteorientierung statt Vereinnahmung durch Rechtsextreme müssen praktiziert werden, Solidarität statt Ausgrenzung der gemeinsame Weg, den wir Lila-Weiße und wir Osnabrücker gemeinsam gehen sollten.

Demonstration „Impfen statt Schimpfen“
Samstag, 08.01.2022, 13:30 Uhr
Willy-Brandt-Platz, Osnabrück