Technische Probleme haben am Mittwochmorgen dazu geführt, dass die Spieltags-Pressekonferenz vor dem Auswärtsspiel bei Viktoria Berlin nicht in regulärem Rahmen stattfinden konnte. Außerdem musste Innenverteidiger Lukas Gugganig wegen eines kurzfristigen Arzttermins – es ist aber alles soweit in Ordnung – absagen. Für alle Fans kommt hier das schriftliche Transkript der Spieltags-PK mit VfL-Cheftrainer Daniel Scherning.

Scherning: „Wir haben bisher in dieser Woche vier gute, intensive Einheiten hinter uns. Es war ordentlich Feuer drin. Wir freuen uns auf die kommenden beiden Tage und dann natürlich auf das Spiel am Freitag in Berlin!“

Vfl.de: Die Viktoria ist ein neuer Gegner, ein Aufsteiger, der bisher eine sehr gute Runde spielt. Wie siehst Du den Gegner?

Scherning: „Erstmal sehr stark, sie stehen zurecht da oben. Ich habe sie in Lotte gegen Verl gesehen. Es ist eine sehr aktive Mannschaft. Eine Mannschaft, die ihr Spiel aktiv und dominant gestalten will. Das sind Dinge, mit denen ich mich identifizieren kann, die ich sehr gern mag, wenn ich Fußball schaue. Da sind sie in ihrem 3-4-3 auch sehr variabel und torgefährlich. Bisher haben sie mit 22 Toren die meisten Treffer der Liga erzielt. Sie treten auch insgesamt sehr stabil auf und haben viele Spieler in ihren Reihen, die in der Lage sind, Spiele zu entscheiden. Gegen die musst Du dann kollektiv und konzentriert verteidigen – auf der anderen Seite aber auch viele Räume im Umschaltspiel kreieren kannst.  Das war auch ein Thema in unseren Trainings, dass wir das Umschaltspiel in den Fokus gerückt haben.

Vfl.de: Der obligatorische Blick auf’s Personal – wer kann am Freitag nicht mit dabei sein?

Scherning: „Vier Spieler werden definitiv ausfallen. Sören Bertram ist in der Aufbelastung nach seiner Verletzung aus dem Zwickau-Spiel, Oliver Wähling ist aktuell im Lauftraining, weil sich wieder eine Reaktion im Knie gezeigt hat. Manuel Haas ist im Meppen-Spiel in einem Zweikampf sehr unglücklich auf die Schulter gefallen und wird am Freitag nicht zur Verfügung stehen und Luis Sprekelmeyer befindet sich ebenfalls im Aufbautraining. Alle anderen stehen, Stand jetzt, zur Verfügung.

Benjamin Kraus (Neue OZ): Die Viktoria, sie haben es selbst gesagt, ist eine aktive Mannschaft, die Bock hat, Fußball zu spielen. Könnte das dem VfL vielleicht sogar entgegenkommen, weil sie vielleicht ein offeneres Spiel vorfinden?

Scherning: „Ja, ich denke, dass sie sich deutlich von vielen anderen Teams unterscheiden. Egal, ob sie zuhause oder auswärts spielen. Sie wollen gestalten. Das kann uns sicherlich entgegenkommen – ähnlich wie im Heimspiel gegen den BVB II, wo sich immer wieder Räume ergeben haben. Die Basis dafür ist aber konsequentes Verteidigen, erstmal eine Kompaktheit, eine gute Qualität gegen den Ball zu haben. Die Bereitschaft, die Wege zu gehen, die sicherlich weh tun. In Überzahlsituationen gegen den Ball zu kommen und daraus Ballgewinne zu generieren. Wenn wir das schaffen, kann uns ihre Spielweise entgegen kommen.“

Benjamin Beutler (NOZ-Video): Herr Scherning, worauf haben sie nach den torlosen Niederlagen denn Fokus gelegt? Kann man sagen, auf das Spiel im letzten Drittel?

Scherning: „Ich habe es vorhin schon einmal angedeutet, es war vielfältig. Wir haben bewusst den Reiz gesetzt, das Umschaltspiel zu verbessern, die Handlungsschnelligkeit, die Reaktion nach Ballverlust bzw. Ballgewinn. Gestern haben wir explizit nochmal die Aktionen im letzten Drittel trainiert, Torabschlüsse aus allen Situationen, was in letzter Zeit nicht optimal war, weil wir schon einige Spiele hatten, die wir positiver hätten gestalten können, wenn wir die Abschlussmöglichkeiten besser gelöst hätten. Also, alles wieder in den Fokus: Flankenbälle, Drucksituationen, Abschlüsse. Die nächsten beiden Tage werden wir explizit noch einmal an unseren Standardsituationen und mannschaftstaktischen Punkten arbeiten. Wir haben uns also nicht den einen Fokuspunkt gesetzt, sondern viele verschiedene Punkte angesprochen.“

Benjamin Kraus: Wie ist denn die Lage, wenn sie in die Mannschaft hineinhorchen? Zuletzt gab es ja drei Niederlagen in Folge. Gibt es da versteckte Anspannungen oder Verunsicherung? Was spüren sie da bei den Jungs?

Scherning: „Es ist schon etwas Unzufriedenheit da, weil wir wissen, dass wir uns das ein oder andere auch selbst ankreiden müssen. So zum Beispiel die ersten Halbzeiten in Lautern oder auch gegen Meppen im Pokal. Das spürt man im Training, denn es ist die Basis für Intensität. Wir haben das im Trainerteam dann versucht in Energie umzuwandeln – haben aber auch immer wieder gezielt Lockerheit reingebracht, haben viele Gespräche geführt. Ja, und auch einfach wieder Mut und Konsequenz gefordert, Dinge, die uns auszeichnen müssen und auch wieder werden, weil sie die Basis für unser Spiel sind. Und ja, ich bin auch optimistisch gestimmt, dass es die Jungs nicht allzu sehr belastet und es dazu führt, dass wir Konzentration und Gier entwickeln und mit aller Macht das nächste Spiel gewinnen wollen. Die beiden freien Tage am Wochenende waren auch sehr wichtig, um den Kopf freizubekommen und mit Freunden und Familie mal über andere Dinge, als über Fußball zu sprechen. Das hat man dann am Montag auch gesehen, alle waren top-motiviert und haben bisher vier gute Einheiten absolviert. Und das stimmt uns alle optimistisch, Richtung Freitag und auch optimistisch für den weiteren Saisonverlauf.“

Beutler: Herr Scherning, wie nutzen sie denn die freie Zeit? Können Sie sich vom Fußball komplett freimachen oder stehen dann Länderspiele auf dem Programm? Wie tickt da der Trainer Daniel Scherning in seiner Freizeit.

Scherning: „Ja, ich bin ja auch Vater von zwei kleinen Kindern und Ehemann (schmunzelt). Die Zeit nutze ich auch um ein wenig weg vom Fußball zu kommen und mich um die Familie zu kümmern – das kam bei der Häufung der Spiele ja zuletzt oftmals etwas zu kurz. Trotzdem ist man schon auch immer wieder beim Fußball, planst schon mal die kommende Trainingswoche, denkst nochmal an die Dinge, die zuletzt gegen Meppen nicht so gut gelaufen sind, und denkst voraus auf das nächste Spiel. Also, ehrlicherweise ist es ein Mix aus beidem. Ich nehme mir meist vor, mich in diesen Phasen weniger mit Fußball zu beschäftigen – aber zugegebenermaßen fällt mir das schwer. Spätestens am zweiten Tag kitzelt es wieder.“

Beutler: Eine Frage noch zu Lukas Gugganig, der heute kurzfristig nicht dabei sein konnte. Er hat bisher alle Spiele, auch fast alle über die gesamte Länge, absolviert. Welche Rolle spielt er für sie und spielt es eine Rolle, dass er von den drei Innenverteidigern der einzige Rechtsfuß ist? Es hieß ja mal, man lässt keine zwei Linksfüße spielen!?

Scherning: „Ich habe nie gesagt, dass man nicht mit zwei Linksfüßen in der Innenverteidigung spielt. Ich habe gesagt, dass die Konstellation mit einem Links- und einem Rechtsfuß auf seiner jeweiligen Position optimaler ist. „Gugga“ hat die Chance, die jeder bei uns in der Vorbereitung bekommen hat, einfach sehr gut genutzt. Er hat sich dadurch die Möglichkeit erarbeitet, mit Timo Beermann in Saarbrücken zu starten. Dann kam die Verletzung von Beermann in Saarbrücken hinzu, aktuell funktioniert es auch in der Kombination mit Trapp sehr gut. Lukas ist ein sehr spielintelligenter Spieler, der nach vorn verteidigen und nach hinten absichern kann. Er kann für unser Spiel so viele gute Balleroberungen einleiten und ist ein wichtiger Bestandteil unserer Viererkette und unserer Mannschaft. Und die Konstellation, dass auch mal zwei Links- oder zwei Rechtsfüße spielen können, habe ich nie ausgeschlossen.“

Beutler: Noch eine Anschlussfrage. Man sieht ja auch, dass er oft mit dem Ball nach vorn geht, die Wege nach vorn sucht. Sind das Situationen, in denen sie ihn bestärken, weil er die Qualitäten mitbringt? Gegen Meppen ist er zum Beispiel vorangegangen und hat nach Rückstand auf den Ausgleich gedrängt. Er ging nach vorn, was ich bisher so nicht kannte!?

Scherning: „Da sind wir wieder beim Thema Mut und Überzeugung. Gegen Meppen waren wir früh in Rückstand und haben auch zu früh das 0:2 bekommen. Der Gegner stand dann recht tief, da war es speziell in der ersten Hälfte nicht leicht, sich Möglichkeiten zu erspielen. Das ist ja auch der schwierigste Fußball, wenn der Gegner sehr tief, sehr kompakt steht, Du in Rückstand gerätst und gezwungen bist, das Spiel zu machen. Gerade in der zweiten Hälfte hat Lukas es sehr gut gemacht, mit Mut, Überzeugung und Konsequenz, die Situationen, die wir von beiden Innenverteidigern fordern, dass sie andribbeln und Spiel- und Überzahlsituationen schaffen. Man hat ihm in der zweiten Hälfte die Wut über die erste Halbzeit angemerkt und seinen starken Einsatz gesehen. Wir wissen, was er mit und gegen den Ball kann und dass er eine gute Portion Spielintelligenz mitbringt. Man merkt, dass er gut ausgebildet wurde und ein wichtiger Faktor in unserer Mannschaft ist.“

 

Text: René Kemna
Bild: VfL Osnabrück